Ende Oktober startete der Fröbel-Kreis einen zweiten Versuch zur Aufnahme des "Kindergartens" in die Liste des Immateriellen Kulturerbes. Der in 2014 gestellte Antrag wurde von Thüringen bestätigt, scheiterte jedoch an der Aufnahme in die Bundesliste. Mit einigen Änderungen reichte der Fröbel-Kreis nun erneut einen Antrag in der Thüringer Staatskanzlei ein.
Eine Entscheidung wird in Thüringen vermutlich im April bekannt gegeben. Im Herbst kann man dann mit einer Meldung seitens des Bundes rechnen.
Wir drücken die Daumen!
Die Kindergarten-Idee gehört zu den humanistischsten Ideen der Menschheit. Als Institution bietet der Kindergarten einen geschützten Raum, in dem Bildung, Erziehung und Persönlichkeitsentwicklung - entsprechend der Entwicklungsbedürfnisse der Kinder - nicht durch „Belehrung“, sondern im Spiel erfolgt. Heute wird die Kindergarten-Idee weltweit verwirklicht. In Deutschland wird das flächendeckende Angebot frühkindlicher Betreuung und Erziehung gesellschaftlich und politisch getragen.
Der Kindergarten war Resultat eingehender Beobachtung und Reflexion des Kindes und seiner Lebenswelt durch den Pädagogen Friedrich Fröbel. Seine theoretischen Überlegungen und praktischen Erfahrungen mündeten 1840 in die Gründung des ersten Kindergartens in (Bad) Blankenburg/Thüringen. Als Institution der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kleinkindern, die Familienerziehung ergänzend und begleitend, stellte der Kindergarten eine neue Qualität gegenüber bereits existierenden Kinderbewahranstalten dar. Er bot Kindern Raum, die Welt mit vielfältigen Beschäftigungen spielerisch zu entdecken und zu begreifen und war damit Ausgangspunkt für unser heutiges Verständnis von frühkindlicher Bildung. Überzeugt von der Notwendigkeit pädagogisch qualifizierter, ganzheitlicher Begleitung im Kindergarten, schuf Fröbel das Berufsbild der Kindergärtnerin. Die an Fröbels Schule in Bad Liebenstein ausgebildeten Kindergärtnerinnen trugen seine Idee in die Welt. Thüringen wurde zum Ausgangspunkt der nationalen und internationalen Kindergartenbewegung, meist unter direkter Übernahme der Wortschöpfung „Kindergarten“.
Die Kindergarten-Idee sowie das ihr zugrundeliegende Verständnis von Kindheit als eigenständiger und wichtiger Phase der Menschentwicklung entfaltet bis heute weltweit eine andauernde Wirkung. Sie prägt Familienleben, institutionalisierte Erziehung, aber auch das gesellschaftliche Zusammenleben im Allgemeinen.
DEN Kindergarten oder das EINE Kindergarten-Konzept gibt es heute nicht mehr. Heute existiert eine Pluralität an Entwürfen und Konzepten, abhängig von pädagogischen Leitlinien, ebenso wie von gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen.
Reale Kindergartenpädagogik war von Anfang an auch geprägt von politischen und sozialen Bedingungen, Einflüssen, von wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen und damit ständiger Veränderung ausgesetzt. Trotzdem bleibt zumeist der Grundgedanke Fröbels erhalten – einen geschützten Ort für Kinder zu schaffen, an dem sie im Spiel aktiv, eigenständig und selbstwirksam leben können und sich mit Gleichaltrigen austauschen – ein Ort „entwickelnd-erziehender Menschenbildung“.
Weltweit sehr unterschiedliche Lebensbedingungen von Kindern zeigen, dass die zutiefst humanistische Kindheitsidee vielfältigen Existenzbedrohungen ausgesetzt sein kann. Durch Kriege, diktatorische Verhältnisse oder sozioökonomischer Krisen sind immer auch Entwicklungsbedingungen von Kindern, sind humanistische Grundlagen des Kindergartens gefährdet. Der Wert der Kindheit für die Gesellschaft spiegelt sich jedoch auch wider in der Wertschätzung der Erziehenden und der materiellen Anerkennung ihrer Tätigkeit, in der Gestaltung und Förderung ihrer Ausbildung sowie in Zustand und Ausstattung der Kindergärten. Gerade die ersten Lebensjahre des Kindes stellen hohe Ansprüche an Qualifikation und Motivation des Erziehungspersonals.
In den Fröbelorten von Bad Blankenburg bis Bad Liebenstein wie im gesamten Freistaat Thüringen wird das Erbe Friedrich Fröbels von Menschen gepflegt, gelebt und weiter gegeben, die im Bewusstsein der Bedeutung seiner Ideen bis in die Gegenwart und in Verantwortung gegenüber den Kindern handeln. Die Thüringer Fröbelorte arbeiten im Fröbel-Kreis regelmäßig mit nationalen und internationalen Partnern zusammen, um die 2013 initiierte Fröbel-Dekade inhaltlich zu unterlegen und mit Leben zu erfüllen. Ziel ist es, öffentliche und politische Aufmerksamkeit für den Wert von Kindheit, für die Qualität und Anerkennung der Erziehertätigkeit sowie die gesellschaftliche Bedeutung des Kindergartens zu schaffen, um die humanistische Idee des Kindergartens zu wahren. Dies geschieht immer auch im Bewusstsein, dass der Kindergarten zwar von Thüringen ausging, dass es aber um eine Idee von weltweiter Tragweite geht.
Gleichwertige Kulturerbeträger der Kindergarten-Idee und Praxis sind Eltern, Pädagogen, Erzieher, Unternehmen, Vereine, Verbände, Gemeinden – unsere Gesellschaft. Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft sind mit der Kindergartenidee verbunden, arbeiten mit ihr, nutzen sie und tragen somit zum Erhalt der Idee bei, die sich auch dadurch im ständigen Wandel begreift. Veränderungen gilt es zu beobachten und einzulenken, wenn der Schutz des Kindes, seiner Bedürfnisse und wenn – wie es Fröbel ausdrückte – „entwickelnd erziehende Menschenbildung“ gefährdet sind.